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RATGEBER

Urban Mining – aus Abfallprodukten Rohstoffe gewinnen

Primärrohstoffe werden immer knapper und somit teurer, ob im Bausektor oder anderen Branchen. Lohnt es sich da nicht, Rohstoffe aus alten Produkten wiederzuverwenden? Was Urban Mining heute schon kann und wo es sich hin entwickeln wird.

Ein Bagger auf einer Geröllhalde. bei urban Mining wird aus Abfallprodukten Rohstoff gewonnen.

Urban Mining setzt auf die Stadt als Materiallager. Abgerissenes ist nicht mehr automatisch Müll, der nur noch entsorgt wird. Aus Abfallprodukten werden wieder Rohstoffe entwickelt, die erneut ihre Verwendung finden, zum Beispiel in der Bauwirtschaft.

 

Was heißt Urban Mining?

Der Begriff Urban Mining ist in aller Munde. Klingt irgendwie cool und hip. Doch was bedeutet der Ausdruck genau? Wörtlich lässt sich Urban Mining mit „Stadtschürfung“ oder „Städtischer Bergbau“ übersetzen. Genauer erklärt: Es geht um Rohstoffe im Kreislauf der Wiederverwertung oder neudeutsch: „Re-Use“. Stoffe wie Holz, Metalle, Glas und Beton, die tonnenweise in unseren Städten verbaut sind, sollen im Sinne des Urban Mining vor Ort weiter genutzt werden.

Das Gleiche gilt für Elektroschrott wie Handys, Computer, Kinderspielzeuge und Küchengeräte. Das Ziel: Statt gebrauchte Produkte zu entsorgen und mit neuen Rohstoffen neue herzustellen, sollen nicht mehr benötigte Stoffe weiter genutzt werden. Die Abfallwirtschaft wird zur neuen Rohstoffindustrie.

 

Urban Mining als Rohstoffquelle der Zukunft

Während Städte und Müllberge wachsen, werden Rohstoffe immer knapper. Bis zum Jahr 2030 wird die weltweite Zahl der Stadtbewohnerinnen und -bewohner um rund eine Milliarde steigen – so die Schätzung aus dem World Urbanization Project 2018 der Vereinten Nationen. Städte auszuweiten kostet Geld, zum Beispiel um Rohstoffe für Bauten, Infrastruktur und der Gestaltung des öffentlichen Raums zu beschaffen.

Lebten im Jahr 1950 erst etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, werden es im Jahr 2030 rund 60 Prozent sein. Aufhalten lässt sich diese Verstädterung nicht. In Entwicklungs- und Schwellenländern mit großen Einkommens- und Bildungsunterschieden zwischen Städtern und Landbevölkerung ist dieser Trend besonders groß. So versprechen sich die Landbewohner bessere Bildung, Berufschancen, Arbeit, Existenzsicherung und einen Mehrwert an Unterhaltung.

Wie lange halten die Erde und die Menschheit diese steigende Belastung im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich durch?  Nicht mehr so lange, wenn die Verantwortlichen nicht schon bald konsequent auf Urban Mining, also der Stadt als Materiallager, setzen.

 

Was spricht für, was gegen Urban Mining?

Urban Mining scheint aufgrund der globalen Situation die einzig nachhaltige Lösung zum Umgang mit Rohstoff-Ressourcen zu sein. Welche Vorteile hat der städtische Bergbau für die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft?
 

Positive Auswirkungen auf die Umwelt:

  • Die Umwelt wird geschont, da weniger Abfälle produziert werden und so weniger schädliche Stoffe in Luft, Boden und Gewässer gelangen. Auch die Tierwelt profitiert und kann sich erholen.
  • Durch die Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen werden natürlich begrenzte Ressourcen bewahrt.
  • Bei der Förderung von Rohstoffen entsteht CO2. Durch die Wiederverwertung von Rohstoffen sinken die CO2 Emissionen – das Klima wird geschützt.
  • Die Natur kann sich regenerieren, wenn sie weniger schädliche Eingriffe erfährt. So können auch noch in Zukunft dringend benötigte Rohstoffe abgebaut werden.
     

Die Bedeutung von Urban Mining für die Wirtschaft:

  • Die Abhängigkeit von Rohstoffpreisen und Importen sinkt.
  • Steigende Kosteneinsparungen durch technischen Fortschritt auf dem Gebiet Urban Mining.
  • Der weltweite Konkurrenzdruck um die Nutzung einzelner Rohstoffe sinkt.
  • Die sinkende Förderung von Primärrohstoffen führt zu Energie- und damit Kosteneinsparungen für Unternehmen.
  • Müllentsorgungskosten sowie Lager- und Nachsorgekosten für Abfälle auf Halden und Deponien fallen weg.
     

So profitiert die Gesellschaft:

  • Die Menschen und die Umwelt in den Städten gewinnen Platz zurück, der ansonsten für Müllhalden genutzt wird. Dieses Plus an Fläche kann für den Ausbau von städtischen Wohn- und Freizeitangeboten genutzt werden.
  • Mehr Möglichkeiten für den Tourismus durch ansprechendere Umgebung, wenn die Zahl der Deponien und Halden reduziert werden kann.
  • Weniger Nachfrage an knappen primären Rohstoffen kann die Ausbeutung von Menschen verringern. Beispiel: Metalle und seltene Erden für die Handyproduktion.
  • Neue Arbeitsplätze entstehen – nicht nur in der Recyclingbranche, sondern auch in vor- und nachgelagerten Bereichen.

 

Viel spricht nicht gegen Urban Mining, aber …

…ein paar Kritikpunkte gibt es auch hier:

  • Handel mit abgebauten Rohstoffen, unter anderem auf illegalem Wege ins Ausland um sich zu bereichern: das birgt politischen Sprengstoff.
  • Um Urban Mining Vorgaben zu umgehen, könnten Akteure Abfall illegal ins Ausland verschieben, wo Kontrollen und gesetzliche Vorgaben lockerer sind. Bewohner und Umwelt vor Ort sind die Leidtragenden.
  • Ist es möglicherweise sicherer, Müllhalden und -deponien so zu lassen wie sie sind? Bei dem Abbau gibt es Bedenken über Schadstoffaustritte, die Mensch und Natur gefährden könnten.
  • Möglicherweise können durch Urban Mining gewonnene Sekundärrohstoffe in Sachen Qualität und Optik nicht überzeugen.
  • Die Rückgewinnung von Rohstoffen kann Lärm- und Geruchsbelästigung verursachen und so womöglich in die Kritik von Anwohnern geraten.

 

Urban Mining im Bereich Bau – Rohstoffressourcen im Baubestand

Urban Mining ist gerade in der Baubranche ein wichtiges Thema. Wo auf anderen Gebieten schon seit Jahren fleißig recycelt wird und die Abfallmenge gesenkt werden konnte, ist sie im Bausektor gestiegen. Es werden bei der Errichtung von Häusern Stoffe verwendet, für die es noch kein Baustoffrecycling-Konzept gibt. Ein Beispiel seien Wärmedämmverbundsysteme, so Kritiker.

Dass die Abfallmengen durch diese Art der Wärmedämmung überschaubar seien und sie eine lange Lebensdauer hätten, ist das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) geförderten Studie. Die Ergebnisse sind nachzulesen auf den Seiten des Fraunhofer-Informationszentrums Raum und Bau (IRB) unter dem Titel „Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS“.

Ob der Einsatz von nicht recyclingfähigen Wärmedämmsysteme sich für die Umwelt lohnt, hängt davon ab, ob die CO2 Einsparung durch die Wärmedämmung diesen Nachteil überwiegt.

Ein anderer Fall ist der Bauschutt. Zwar werden beim Abbruch von Gebäuden schon sorgfältig Stoffe getrennt, ein nicht geringer Teil landet aber als Verfüllmaterial im Boden oder als Schotter auf Verkehrswegen statt in neuen Gebäuden. Der Großteil gilt als Abfall.

Die Bauschutt-Verwertung für Neubauprojekte gilt eher noch als Ausnahme. Dies soll sich mit der sogenannten Mantelverordnung (MantelV) der deutschen Bundesregierung voraussichtlich in diesem Jahr ändern. Durch die Verordnung soll eine Ersatzbaustoffverordnung (EBV) neu eingeführt werden und die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) geändert werden.

 

Urban Mining in privaten Bauprojekten

Egal ob Neubau oder Sanierung: Müssen wir jetzt alle zum Urban Miner werden? Was Sie im Sinne des städtischen Bergbaus in Ihrem eigenen Bauprojekt umsetzen können:

  • Nutzen Sie Baustoffe aus umweltverträglichen Rohstoffen (umweltverträglich zu gewinnen, zu nutzen, zu entsorgen oder zu recyceln, z. B. Holz, Naturfasern) – Stichwort Green Construction.
  • Vermeiden Sie baubiologisch bedenkliche und giftige Stoffe. Diese kommen unter anderem vor in Wand-, Boden- und Deckenmaterialien und Dämmstoffen.
  • Holen Sie sich Expertenrat.
  • Profitieren Sie von Fördermöglichkeiten für Haussanierungen und Neubauprojekten.
     

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